Wenn ein Kollege vom Chef regelmäßig bevorzugt wird, wächst bei den übergangenen Kollegen der Unmut. Dabei ist die unliebsame Situation für das Team durchaus positiv! Studien haben ergeben, dass die Bevorzugten nicht nur produktiver arbeiten, sondern auch die Leistung der anderen anheben. Ein Grund für Chefs, sich ab sofort Lieblingsmitarbeiter zuzulegen?
Bevorzugung im Team kann Leistung steigern
Verschiedene Untersuchungen zeigten in den vergangenen Jahrzehnten, dass Mitarbeiter, die sich ungerecht behandelt fühlen, bei der Arbeit weniger Einsatz zeigen und sich öfter krankmelden. Es gibt aber auch Studien mit ganz anderen Ergebnissen. So fanden Wissenschaftler aus Deutschland, England, Kanada und den Niederlanden vor drei Jahren heraus, dass es sich durchaus lohnen kann, einzelne Mitarbeiter zu bevorzugen.
So gehörte zu der Studie ein Experiment, bei dem die Manager einzelnen Führungskräften besonders oft das erste Wort erteilten, sie für ihre Leistungen lobten und längeren Blickkontakt hielten. Die bevorzugten Mitarbeiter arbeiteten daraufhin produktiver und – jetzt kommt’s – sie stärkten damit das ganze Team: Auch die anderen Kollegen erzielten bessere Leistungen.
Als Grund dafür nennen die Forscher soziale Vergleichsprozesse. Jeder Mitarbeiter strebe danach, von seinem Chef besonders gut behandelt zu werden. Haben Menschen das Gefühl, dass dies der Fall ist, werden sie produktiver. Und zwar in einem so starken Ausmaß, dass das ganze Team profitiert. Die Experimente zeigten, dass Mitarbeiter, die gleich gut wie ihre Kollegen behandelt wurden, weniger produktiv arbeiteten.
Trotz dieser Ergebnisse wollen die Wissenschaftler ihre Studie nicht als Aufforderung zur Vetternwirtschaft oder gar zum Mobbing der restlichen Mitarbeiter verstanden wissen. Es zahle sich zwar für ein Unternehmen aus, Einzelne zu bevorzugen, wenn sie ein hohes Potenzial mitbringen. Gleichzeitig müsse man aber darauf achten, die anderen Mitarbeiter fair und respektvoll zu behandeln.
Der Schlüsselfaktor heißt Fairness
Was Fairness bedeutet, haben die beiden Münchner Sozialpsychologen Bernhard Streicher und Dieter Frey 2009 im Personalmagazin zusammengefasst. Unter Ergebnisfairness versteht man, wenn Mitarbeiter für ähnliche Leistungen eine vergleichbare Rückmeldung wie die Kollegen erhalten. Das kann ein ausführliches Feedbackgespräch sein, ein Jour fixe, aber auch eine Gehaltserhöhung oder eine Beförderung. Auch wenn Führungskräfte dazu neigen, einzelne Mitarbeiter zu bevorzugen, sollten sie also darauf achten, den anderen Kollegen ebenfalls Zeit für persönliches Feedback einzuräumen – und sie auch beim nächsten Bonus nicht ganz außen vor zu lassen.
Ein weiterer Faktor in Sachen Fairness ist die prozedurale Fairness. Dazu gehört, dass Manager ihren Mitarbeitern bei weitreichenden Entscheidungen im Unternehmen ein Mitspracherecht zugestehen sollten oder ihnen zumindest die Chance geben, ihre Meinung zu äußern. Die interpersonale Fairness beschreibt einen respektvollen und freundlichen Umgang mit allen Mitarbeitern – nicht nur mit den Lieblingen. Dazu gehört auch, als Manager mit dem Team auf Augenhöhe zu kommunizieren. Die informationelle Ebene der Fairness steht schließlich dafür, die Mitarbeiter ehrlich und transparent über Neuigkeiten und Veränderungen zu informieren.
Auch wenn es unvermeidbar und vielleicht sogar sinnvoll ist, einzelne Mitarbeiter zu bevorzugen, sollten Führungskräfte wissen: Wenn Menschen das Gefühl haben, unfair behandelt zu werden, wirkt sich das negativ auf ihr Vertrauen in die Chefetage aus. Es besteht die Gefahr, dass sich die betroffenen Mitarbeiter emotional zurückziehen und nicht mehr so leistungsfähig sind. Es kommt also, wie so oft, auf das richtige Maß und eine gute Portion Taktgefühl an.
Über die Autorin:
Felicitas Wilke hat BWL und Journalismus studiert und die Deutsche Journalistenschule besucht. Sie arbeitet als freie Journalistin in München. Beruflich begeistert sie sich für Themen rund um Wirtschaft, privat bereist sie gerne Skandinavien und hat ein Herz für schwarz-gelben Fußball aus dem Ruhrgebiet.