Die Erfahrungen, die wir im Laufe unserer Beratungsaktivitäten bei interkulturellen Projekten erworben haben, ermöglichen es uns, einige grundsätzliche Führungsstilunterschiede zu identifizieren – ohne in die Klischeefalle tappen zu wollen. Von Deutschland aus wird der französische Führungsstil als autoritär angesehen. In seinem Land gewinnt ein deutscher Manager den Respekt seiner Mitarbeiter vorrangig durch den Beweis seiner fachlichen Fähigkeiten.
Die Autorität eines Chefs ergibt sich stark durch seine Erfahrungen und Kenntnisse in seinem Fachgebiet. Er betrachtet sich oft als „primus inter pares“ (das gilt insbesondere bei der ersten Führungserfahrung), gleichgestellt mit seinen Kollegen, der zusätzlich zu seinen technischen Aktivitäten auch Managementaufgaben übernimmt, die ihm eine gewissene Autorität gewähren. Daraus folgt, unter anderem, dass in Deutschland durchaus möglich und oft erwünscht ist, offen über die Triftigkeit einer bestimmten Entscheidung oder eines Projektes zu diskutieren, ohne dass deswegen die Autorität des Vorgesetzen in Frage gestellt wird.
In Frankreich, obwohl es kein Zweifel daran besteht, dass die fachliche Kompetenz ebenfalls eine entscheidende Rolle spielt, wird die bloße Tatsache, dass der Manager sich eine Hierarchiestufe über seinen Mitarbeitern befindet, ihm einen „Autoritätsvorschuss“ geben, der in Deutschland nicht in diesem Maße existiert. Sollte eine Entscheidung diskutiert oder sogar angefochten werden, wird dies über informelle Kanäle und in kleinen Gruppen gemacht. Ein öffentliches Infragestellen könnte als Untergrabung der Autorität des Vorgesetzten verstanden werden.
Jeder der beiden Führungsstile funktioniert auch für sich. Erst wenn die zwei Führungskulturen in Berührung kommen, können Probleme auftreten, zum Beispiel beim grenzüberschreitenden Projektmanagement. Ein französischer Manager versteht oft nicht, warum sein deutscher Kollege mehr Zeit braucht, um eine Entscheidung zu fällen. Er könnte diesen Umstand auf eine mangelnde Entscheidungsfreudigkeit seines Kollegen zurückführen, obwohl der deutsche Manager nur etwas mehr Zeit braucht, um sein Team zu involvieren und hinter seine Entscheidung zu bringen. Umgekehrt wundern sich deutsche Manager immer wieder über die Tatsache, dass Entscheidungen in Frankreich oft „nach oben delegiert“ werden und fürchten mangelnde Fachkompetenz oder Entscheidungsfähigkeit bei ihren französischen Kollegen. Sie unterstellen ihm, „Deckung durch Hierarchie“ erhalten zu wollen.
Auch müssen die Gefahren erwähnt werden, die bei der Entsendung eines Managers ins benachbarte Ausland entstehen. Ein deutscher Manager, von seiner Kultur geprägt und eher um Konsens bemüht, könnte von seinen französischen Mitarbeitern als „weich“ gesehen werden. Die Mitarbeiter sehen nämlich in der Ausübung von Autorität die Garantie, dass die Interessen der Abteilung (und damit auch ihr persönliches Interesse) gewahrt werden. Gleichermaßen kann der Führungsstil eines französischen Managers in Deutschland von seiner Mannschaft als autokratisch angesehen werden, weil er die Entscheidungsgewalt verstärkt bei sich behält.
Unterschiedliche Führungsstile sind einer der Faktoren, die die deutsch-französischen Geschäftsbeziehungen mitunter negativ beeinflussen können.
Diese Unterschiede zu kennen, Verständnis für die „andere Seite“ aufzubringen, das sind die ersten Schritte zur Vermeidung von Schwierigkeiten. Hierzu kann die Deutsch-Französische Beratung mit ihrem Angebot an interkulturellen Seminaren beitragen. Auftretende Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit können dadurch zeit- und projektnah thematisiert und ausgeräumt werden.