In unserem Gespräch mit einer ehemaligen Beraterin der Boston Consulting Group (BCG), erfuhren wir alles darüber und noch einiges mehr.
Wann hatten Sie Ihre erste Erfahrung im Ausland und in welchem Kontext?
BCG Beraterin: Meine erste Auslandserfahrung war relativ kurz: Ich habe ein achtmonatiges Praktikum in Chile absolviert. In meinem Beruf als Unternehmensberaterin durfte ich anschließend für längere Zeitabschnitte nach Südafrika und Indien reisen. Die Hauptgründe für meine Entscheidung, im Ausland zu arbeiten, waren:
- Neue Kulturen sind immer sehr interessant und spannend, meiner Meinung nach erweitert eine solche Erfahrung sowohl den persönlichen, also auch den professionellen Horizont. Ich glaube, dass man toleranter gegenüber anderen Kulturen wird. Außerdem geben die neuen Eindrücke einem viele neue kreative Ideen.
- Des Weiteren gefällt mir, dass es einen dazu zwingt, sich aus der eigenen Komfortzone heraus zu bewegen. Eine Auslandserfahrung stellt eine Herausforderung in Bezug auf die Sprache, das Verhalten und die Menschen dar… alles ist eben neu.
- Außerdem gefällt es mir einfach persönlich. Ich liebe es, zu reisen und die Möglichkeit zu haben, neue Dinge zu entdecken. Man lernt sich selbst als Person und seine Grenzen in Bezug auf Veränderungen und Flexibilität neu kennen. Das macht Spaß!
Wenn Sie wichtigsten Sachen nennen müssten, die Sie während Ihres Auslandseinsatzes gelernt haben: was wären sie?
BCG Beraterin: An dieser Stelle würde ich gerne von meiner Erfahrung in Indien erzählen, da diese sehr prägnant war und ich dort viel Neues erlernen konnte. Das erste, was mir unmittelbar nach meiner Ankunft dort auffiel war die Kommunikation – und zwar nicht nur im Sinne der verwendeten Wörter, sondern auch des Verhaltens und was man tun kann, um seine finalen Ziele zu erreichen.
In Deutschland werden Zwischenziele in Meetings nach einem streng kontrollierten Prozess besprochen. Die Teilnehmer wollen genau wissen, warum sie an diesem Meeting teilnehmen, was sie tun können und was als Nächstes von Ihnen erwartet wird. Aufgrund der unterschiedlichen Kultur wurde das in Indien ganz anders gehandhabt.
Ich habe schnell bemerkt, dass es dort mehr Sinn macht, mit einer Gesamtübersicht im Kopf in ein Meeting zu gehen als mit einem fixen Prozess. Es war hier wichtiger, Sachen offen anzugehen. In den Meetings wurde viel Wert auf die Reaktion des Gegenüber gelegt und die nächsten Schritte an diese Reaktion angepasst.
Auf diese Art und Weise wurden beide Seiten zufrieden gestellt und es wurde mir sogar mehr Inhalt anvertraut, da ich offen für Diskussion war. Das Zuhören hatte hier einen viel höheren Stellenwert als in Deutschland.
Was war Ihre größte Herausforderung bei der Arbeit im Ausland? Haben Sie dazu eine kurze Anekdote?
BCG Beraterin: Dazu hätte ich wieder eine kleine Anekdote aus meiner Zeit in Indien. Dort hatte ich einen regelrechten Schockmoment. Ich saß in einem Lenkungsausschuss-Meeting und der Senior Partner unseres Projekts konnte nicht daran teilhaben. Meine Kollegen und ich hatten uns auf ca. 10-20 Teilnehmer eingestellt, doch als wir dort ankamen saßen etwa 40 Personen an verschiedenen runden Tischen, in der Mitte eine Gruppe aus dem Core Management.
An meinem Tisch begannen zwei Männer, sich parallel zu unserem Gespräch zu unterhalten, zuerst auf Englisch und nach den ersten Sätzen in einer lokalen Sprache. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Nach einer Weile schien es so, als würden sie sich lautstark streiten.
Also bin ich plötzlich aufgestanden und habe angefangen zu reden. Es war noch nicht einmal etwas sehr einfallreiches, ich wollte nur ein Argument vorstellen und ein Business Case auf einem Flipchart darstellen. Auf einmal redete niemand mehr, da ich die einzige weiße Frau im Raum war und die Anwesenden wahrscheinlich nicht daran gewöhnt waren.
Sie fingen an, aufmerksam zuzuhören und ich fühlte mich zum ersten Mal in diesem Meeting ernst genommen. Das war ein lustiger, aber auch schockierender Moment für mich. So etwas wäre in Deutschland nicht passiert.
Was ist der wichtigste Tipp, den Sie jemandem geben würden, der im Ausland arbeiten möchte?
BCG Beraterin: Man muss es wirklich mögen, sonst macht das Ganze keinen Spaß. Alles ist sehr unterschiedlich im Vergleich mit „zu Hause“. Indien war so anders.