Frauen in Führungspositionen sind in Deutschland weiter die Ausnahme – und von den wenigen Chefinnen sind 72 Prozent kinderlos. Obwohl die Wirtschaft mit mehr Führungsfrauen besser aufgestellt wäre, ist die Familiengründung für Frauen immer noch Karrierefalle Nummer 1. Was läuft hier schief? Ein Résumé aus Sicht einer Karriereberaterin.

Unternehmen identifizieren ihre High Potentials, wenn sie zwischen 30 und 38 Jahre alt sind. Das ist genau das Alter, in dem viele Frauen ihre Karriere zugunsten der Familiengründung unterbrechen.
Kaum ein Thema ist in der deutschen Businesswelt so präsent wie die Frauenquote. Kaum ein Thema wird so leidenschaftlich verteidigt, belächelt, kritisiert. Doch obwohl viel darüber geredet wird, richtig angepackt wird die Frauenförderung im Job nicht. Seit 2012 sind nur geringe Fortschritte erzielt worden, wie die aktuelle OECD-Studie zeigt. Der Frauenanteil im Top-Management stagniert weiterhin bei 11,7 Prozent (Zum Vergleich: In Frankreich liegt der Frauenanteil in den Vorständen börsennotierter Unternehmen bei über 32 Prozent.) Dabei wäre die Wirtschaft mit mehr Führungsfrauen besser aufgestellt – besonders im Zuge der Digitalisierung.
Herausforderungen der Zukunft bestehen
Denn die Digitalisierung erfordert ganz neue Führungsqualitäten. Insbesondere beim Kommunizieren und Netzwerken sind Frauen besonders gut. Wie kommt es aber dann, dass man durch viele Führungsetagen laufen muss, bevor man ein Namensschild mit weiblichem Namen an der Tür sieht?
Die Sache mit der Familienplanung
Unternehmen identifizieren ihre High Potentials, wenn sie zwischen 30 und 38 Jahre alt sind. Das ist genau das Alter, in dem viele Frauen ihre Karriere zugunsten der Familiengründung unterbrechen. So zeigt die ”5. Bilanz Chancengleichheit” des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dass 72 Prozent der weiblichen Führungskräfte ohne Kinder leben.
Außerdem haben Frauen in Führungspositionen so selten Kinder unter drei Jahren, dass diese Gruppe statistisch nicht einmal erfasst werden kann. Mangelnde Kinderbetreuung und die Doppelbelastung durch Beruf und Familie sind dabei ein wesentlicher Faktor als Hindernis auf dem Weg nach oben.
Wer nach der Elternzeit die Karriere wieder vorantreiben will, sollte sich rechtzeitig nach alternativen Betreuungsmöglichkeiten umsehen und sich eine zielgerichtete Strategie zum Wiedereinstieg zurecht legen.
Vom Können und Wollen
Ein weiteres Anliegen von Frauen, die zu uns in die Karriereberatung kommen, ist die Frage, warum sie trotz guter Leistungen und Erfolge nicht für Führungspositionen berücksichtigt werden. Wir empfehlen Ihnen dann unter anderem folgende Grundsätze zu beachten:
- Signalisieren Sie Ihre Karriereambitionen! Denn die Einschätzung, dass Ihre Erfolge gesehen und entsprechend honoriert werden ist ein Trugschluss. Zurückhaltung wird als fehlende Ambition gewertet.
- Kommunizieren Sie Ihre Erfolge! Denn Leistung allein reicht nicht.
- Werden Sie sichtbar! Auch Meetings, Konferenzen und Events sind gute Gelegenheiten, um positiv auf sich aufmerksam zu machen.
- Netzwerken Sie! Netzwerken wird zur Schlüsselkompetenz, die Türen öffnen und Unterstützung bieten kann.
- Ergreifen Sie Chancen! Frauen unterschätzen häufig ihre eigenen Kompetenzen, sie sind unsicher, ob sie einer verantwortungsvolleren Aufgabe gewachsen sind.
Frauenförderung als Managementaufgabe
Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, muss sich die Unternehmenskultur grundlegend ändern. Frauenförderung darf sich nicht in der Auflage wohlklingender Programme begrenzen. Wie wollen Unternehmen die Herausforderungen des digitalen Wandels bewältigen, wenn sie bereits mit dem Thema Diversity hadern?
Mehrere Studien belegen die positiven Auswirkungen der Einstellung eines höheren Anteils an Frauen im Topmanagement. Die Wirtschaft ist auf die besten Talente angewiesen und sollte endlich das Potenzial durch die sich ergänzenden Fähigkeiten von Frauen und Männern erkennen und vor allem nutzen.
Über Regina Lindner:
Die Dipl.-Ökonomin und gelernte Bankkauffrau begann ihre Karriere bei einer deutschen Landesbank, bevor sie in einen großen Telekommunikationskonzern wechselte. 2003 wurde Regina Lindner Partnerin bei einer bundesweit tätigen Outplacement-Beratung und verantwortet nun seit 2015 die Bereiche Platzierungsmanagement und Qualitätssicherung bei der auf Frauen spezialisierten Personalberatung HUNTING/HER HR-Partners.