Wirtschaftssanktionen, der niedrige Ölpreis und ein schwacher Rubel belasten derzeit das Geschäft mit Russland. 2015 sind die deutschen Exporte nach Russland im Vergleich zum Vorjahr um 25 % auf rund 20 Mrd. Euro zurückgegangen, seit 2012 hat sich das Handelsvolumen nahezu halbiert. In der Hoffnung auf bessere Zeiten sind jedoch nach wie vor noch etwa 6.000 deutsche Unternehmen im Business mit dem größten Land der Welt aktiv. Sie sind größtenteils von der langfristigen, hohen Attraktivität des russischen Marktes überzeugt. Gerade in der aktuell schwierigen politischen Situation ist es wichtig, interkulturelle Fußangeln zu vermeiden. Lesen Sie hier, wie Sie in Russland sicher auftreten.
„Russland ist groß und der Zar ist weit“, lautet ein bekanntes russisches Sprichwort. Es spielt an auf die gigantische Weite des mit Abstand größten Landes der Welt, auf seine Vielfalt an Landschaften, Nationen und Kulturen. Daraus erklären sich Elemente des teils widersprüchlichen russischen Charakters wie Großzügigkeit, Spontanität, eine Schwäche für Extreme, eine gewisse Unvorhersehbarkeit sowie ein Mangel an Ordnungssinn und Bestimmtheit.
Deswegen sollten ausländische Geschäftsleute auch nach langjähriger Geschäftstätigkeit nicht den Fehler begehen, eventuelle Probleme zu unterschätzen. Denn Russen lassen sich nur schwer in interkulturelle Schablonen pressen.
Seriöser Dresscode und Statussymbole
„Man heißt einen nach seiner Kleidung willkommen und nimmt nach Klugheit von ihm Abschied!“, heißt es in Russland. Achten Sie deswegen unbedingt auf einen seriösen Dresscode und einen gepflegten Auftritt. Statussymbole wie teuere Stifte, Krawatten und Aktenkoffer, große Autos und Hotels der Luxusklasse spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle im Riesenreich zwischen Asien und Europa.
Kommt es zum ersten Treffen, so sehen Sie ab von einem langem direkten Blickkontakt, er gilt als unbescheiden und aufdringlich. Auch häufiges Lächeln gilt als unseriös, wie das russische Sprichwort deutlich macht: „Grundloses Lächeln spricht für Dummheit.“
Achten Sie auf die besondere Etikette bei der Begrüßung von russischen Frauen: Während man Damen der älteren Generation in der Regel nicht die Hand gibt, haben Jüngere damit kein Problem mehr. Agieren Sie als Mann grundsätzlich besonders zuvorkommend gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Beachten Sie aber, dass immer mehr Frauen in Russland erfolgreiche Karrieren anstreben und sehr emanzipiert sind. Dezente, höfliche Zurückhaltung ist hier besser angebracht als übertriebenes Türenaufhalten.
Von Ihren russischen Geschäftspartnern angebotene Geschenke dürfen Sie nicht ablehnen: Gerne wird hier Traditionelles überreicht, zum Beispiel Matroschkas, handbemalte Holzpüppchen. Vermeiden Sie vor allem am Anfang der Geschäftsbeziehung Ironie und alles, was die männliche Ehre auch nur entfernt verletzen könnte. Gut zu wissen ist auch, dass der Aberglaube in Russland zur Alltagskultur gehört. Pfeifen Sie deswegen nicht in fremden Wohnungen und vermeiden Sie es, über eine Türschwelle hinweg Hände zu schütteln.
Teetrinken: Einladung zum informellen Austausch
Ungewohnt für deutsche Manager ist der gut gesüßte und sehr starke schwarze Tee, der häufig bei geschäftlichen Besprechungen gereicht wird. Bestellt Ihr russischer Geschäftspartner eine Runde Tee, dann heißt es jedoch nicht nur, das heiße Getränk zu genießen, sondern es ist eine Einladung zum informellen Austausch. Für Russen ist es sehr wichtig, ihren möglichen Geschäftspartner zunächst besser kennenzulernen. Oftmals öffnen sich nach dem Smalltalk erst die Türen zum richtigen Ansprechpartner in der Hierarchie einer für deutsche Manager oft undurchschaubaren russischen Unternehmensstruktur.
Unterschiedliche Verhandlungstaktik
Vorsicht ist bei der Verhandlungstaktik geboten, die völlig konträr zur Deutschen ist. Nach russischem Verständnis einer Verhandlung kann es keine Win-win-Situation oder einen Konsens geben. Es gibt immer einen Sieger und einen Verlierer. So wird der Verhandlungspartner anfangs als Gegner gesehen, den es an den Rand zu drängen gilt.
Das auf Konsens ausgerichtete deutsche Verhandlungsverhalten stößt deshalb oft auf Misstrauen, weil darin eine Taktik zur Überrumpelung des Verhandlungspartners gesehen wird. Gerade hier macht sich eine gute Beziehungspflege bezahlt: Durch Respekt, Lob und Interesse an der Person können deutsche Führungskräfte Vertrauen zu ihren lokalen Mitarbeitern aufbauen.
Deutsche Führungskräfte, die russische Mitarbeiter im Team haben, brauchen ein ganz spezielles Fingerspitzengefühl. Denn in Russland müssen Vorgesetzte Macht ausstrahlen, die Rollen im Team klar verteilen, Entscheidungen treffen und die Verantwortung für die Mitarbeiter übernehmen können. Auch bei Verhandlungen mit russischen Partnern ist es wichtig, eine klare Führungsperson im eigenen Team zu haben, und dem ranghöchsten Russen Respekt zu zeigen, ohne unterwürfig zu wirken.
Außerdem ist das „wir“-Gefühl in Russland sehr wichtig. Gute Erfolgschancen haben deutsche Unternehmer, die es schaffen, mit ihren russischen Kollegen ein Team aufzubauen, anstatt sie als Gegner zu behandeln. Regelmäßige Treffen, Essen oder gemeinsame Ausflüge sind Investitionen in gute, wertvolle Beziehungen, die das Arbeitsleben ungemein erleichtern. Sympathie-Punkte sammeln Deutsche, die sich bemühen, wenigstens ein bisschen Russisch zu lernen. Schon ein „Dobry djen“ (Guten Tag) oder „Zdravstwuyte!“ (Sei gegrüßt!) erleichtert Ihnen den Zugang zu den Ansprechpartnern.
Geschäftsessen mit kreativem Trinkspruch
Gute Geschäfte sollten unbedingt beim gemeinschaftlichen Abendessen durch einen kreativen Trinkspruch besiegelt werden. Verknüpfen Sie den persönlichen Anekdote: Das schafft die Grundlage für eine gute Geschäftsbeziehung. Trinken Sie aber nur Wodka, wenn ein Trinkspruch voranging. Dazwischen am Glas zu nippen ist tabu.
Vermeiden Sie es gerade in der aktuellen Zeit über kontroverse Themen wie Politik oder die Wirtschaftssanktionen zu sprechen, um Spannungen zu vermeiden. Darüber hinaus kann der Weg für gute männliche Geschäftspartner auch schon mal in die Banja, zu einem gemeinsamen Saunagang führen. Dies gilt als Zeichen des Vertrauens und der Freundschaft.
Fazit für die kulturelle Interaktion mit Russen
Grundvoraussetzung für unternehmerischen Erfolg sind neben interkultureller Sensibilität ein großer persönlicher Einsatz, viel Geduld, Durchhaltevermögen und ein freundschaftliches Verhältnis zu Ihren russischen Geschäftspartnern. Denn persönliche Beziehungen sind in Russland die Basis und unerlässlich für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Über den Autor:
Markus Hofelich ist Wirtschafts- und Finanzjournalist und lebt mit seiner Familie im Süden von München. Seine journalistische Erfahrung sammelte er als Redaktionsleiter beim DIV Deutscher Industrieverlag, als stellv. Chefredakteur von Cash. sowie als Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins „Unternehmeredition“ der GoingPublic Media AG. Markus Hofelich ist Diplom-Kulturwirt und hat an den Universitäten Passau und an der Pariser Sorbonne studiert.
Aktuell hat er die Website SinndesLebens24.de gestartet, ein Online-Magazin für Philosophie, Glück und Motivation, und ist auf der Suche nach neuen Herausforderungen.