„Schluss mit der Win-win-Haltung!“

Warum Manager in der Gehaltsverhandlung knallhart bleiben sollten

Die idealisierte „Win-win-Situation“ sei in der Gehaltsverhandlung ein fauler Kompromiss, sagt der ehemalige Unternehmer und Verhandlungsexperte Kurt-Georg Scheible. Und erklärt, wie Sie im Gehaltsgespräch knallhart bleiben.

in der Gehaltsverhandlung knallhart bleiben

Keine Kompromisse in der Gehaltsverhandlung: Mit welcher Taktik Sie sich Ihr Wunschgehalt sichern.

Das klassische Verhandlungsprinzip „Das Harvard-Konzept“ empfiehlt: Streben Sie eine Win-win-Situation an. Ziel ist eine konstruktive und friedliche Einigung in Konfliktsituationen. Im Vordergrund soll der größtmögliche beiderseitige Nutzen stehen. „Schluss damit!“ sagt jetzt Erfolgsverhandler, Buchautor und Hochschul-Dozent Kurt-Georg Scheible.

Herr Scheible, das weitverbreitete Harvard-Konzept strebt eine win-win-Situation an, eine konstruktive und friedliche Einigung in Konfliktsituationen. Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen?

Scheible: Viel zu häufig wird unter Win-win ein „lass uns in der Mitte treffen“ verstanden. Das funktioniert nur in der Theorie. Wird ein Gewinn für beide Seiten nicht erreicht – was meist der Fall ist – verhärten sich die Fronten schlagartig und es kommt zum faulen Kompromiss oder zum Abbruch der Verhandlung. Damit ist keiner Partei gedient. Deswegen sollte jeder Seite daran gelegen sein, in der jeweiligen Verhandlung eindeutig zu siegen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist das Verhandeln auf Augenhöhe, auch mit vermeintlich übermächtigen Gegnern wie dem Vorgesetzten.

Warum ist es wichtig, mit dem Verhandlungspartner auf Augenhöhe zu verhandeln?

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Autor und Coach Scheible erklärt, wie Sie Ihre Gehaltsforderung knallhart durchsetzen.

Scheible: Zunächst einmal gilt es, unser Gegenüber in Verhandlungen nicht als Partner, sondern als Gegner zu sehen. Davor und danach können Sie beste Freunde sein – jedoch nicht am Verhandlungstisch!

Zudem ist es wichtig, sich der eigenen Stärken bewusst zu sein. Wenn sich jemand mit Ihnen an den Verhandlungstisch setzt, dann nur, weil er sich davon etwas verspricht. Er will etwas von Ihnen, einen Nutzen. Und diesen Nutzen können Sie ihm bieten. Deswegen gehört zu einer guten Verhandlungsvorbereitung, sich diesen Nutzen für den Anderen bewusst zu machen, zu bewerten und dann möglichst hart zu verhandeln – auf Augenhöhe.

Was sind die größten Todsünden jeder Gehaltsverhandlung?

Scheible: An erster Stelle steht für mich „Erpressung“: Wenn Sie mit einem anderen Jobangebot zu mir kommen, um mehr Gehalt zu fordern, dann lasse ich Sie sofort ziehen. Ein Vorgesetzter darf sich nicht erpressen lassen. Was auch nicht funktioniert, aber häufig versucht wird, ist, dass man wegen privater Lebensumstände mehr Geld fordert, zum Beispiel wegen eines neuen Autos, einer Eigentumswohnung oder einer Heirat. Das interessiert Ihren Chef überhaupt nicht, außer er hat Mitleid. An dritter Stelle steht das Verweisen auf die bisherigen Leistungen.

Dazu sage ich den Studierenden in meinen Vorlesungen auch immer: Eine höhere Ausbildung, zum Beispiel ein Master-Abschluss oder eine Zusatzqualifikation sind zwar gut, rechtfertigen jedoch noch nicht automatisch ein höheres Gehalt. Ganz extrem ist es, wenn das Alter oder die Berufserfahrung als Rechtfertigung herangezogen werden. Das würde doch bedeuten, dass jemand, nur weil er älter ist, mehr verdienen soll, als ein jüngerer Mensch, auch wenn er seiner Firma keinen höheren Nutzen bringt.

Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Gehaltsverhandlungen und ein höheres Gehalt?

Scheible: Ganz entscheidend sind die Freude am Verhandeln und die entsprechenden Fähigkeiten dazu. Wer nie verhandelt und dies auch nicht mag, der wird auch weniger Erfolg haben, wenn es um das eigene Gehalt geht. Zur Vorbereitung auf Ihre Gehaltsverhandlung beschäftigen Sie sich zuerst mit dem Nutzen, den Sie Ihrem Chef und Ihrem Unternehmen bringen. Erstellen Sie eine Liste mit dem Titel „10 Gründe, warum ich mein Geld wert bin“. Versetzen Sie sich in die Lage Ihres Chefs und überzeugen Sie sich selbst, Ihnen mehr Geld zu geben. Das gelingt am leichtesten, wenn Sie für das Unternehmen mehr einbringen, als Sie kosten. Hilfreich ist auch fortlaufend festzuhalten, was Sie von Ihren Kollegen abhebt.

Versuchen Sie, so nahe wie möglich „ans Geld“ zu gehen. Bewerten Sie in Euro, was Sie besonders auszeichnet. Und handeln Sie nach der Devise „Wer viel fordert bekommt auch viel!“. Fordern Sie immer mehr, als Sie wollen. Denken Sie bei Ihren Forderungen jedoch nicht nur an Geld, sondern auch an alternative Leistungen. Oft kann ihr Chef am Gehalt nur wenig machen, hat jedoch an anderen Stellen viel mehr Möglichkeiten.

Also setzen Sie auf Ihre Liste doch einfach eine Fort- und Weiterbildung samt aller Neben- und Reisekosten. Grundsätzlich ist alles gut, womit Sie die Ausgaben ihres bereits versteuerten Einkommens reduzieren können: Von Gesundheitschecks über Mitgliedsbeiträge für den Fitnessclub bis hin zu Berufskleidung und Fahrtkosten.

Sie sagen „Gehen Sie als Sieger aus der Verhandlung!“ Wie weit kann ich als Mitarbeiter gehen, um meine Interessen durchzusetzen, gleichzeitig jedoch meinen Arbeitgeber nicht zu verärgern?

Scheible: Das betrifft zuallererst Ihre mentale Einstellung. Wenn Sie in einen Wettkampf oder eine Verhandlung – was für mich das gleiche ist – mit der Überzeugung gehen, dass Sie ohnehin nichts erreichen können, dann haben Sie schon verloren. Zudem ist es wichtig, dass Sie Verhandlungen niemals abbrechen. Wenn Sie heute noch nicht das „Ja“ Ihres Chefs haben, halten Sie die möglichen Zugeständnisse des Gesprächs schriftlich fest, bedanken sich dafür und „parken“ die Verhandlung bis zu einem späteren Zeitpunkt.

Auf diesen bereiten Sie sich dann noch besser vor. Vermeiden Sie vorschnelle Zugeständnisse und schnelle Ablehnungen. Wenn Sie in der ersten Verhandlung keinen Erfolg hatten und deswegen Ihrem Chef mit den Worten drohen „dann muss ich mir eben etwas anderes suchen“, dann setzen Sie sich selbst unter Zugzwang und müssen auch umsetzen, was Sie selbst angekündigt haben.

Wenn Sie nur mit einer einzigen Forderung, zum Beispiel nach mehr Gehalt kommen, kann es leicht passieren, dass Sie leer ausgehen. Haben Sie jedoch mehrere Forderungen vorbereitet und es gibt (noch) nicht mehr Geld, dann verhandeln Sie eben zunächst um etwas anderes, etwa eine Versicherung oder einen kostenlosen Parkplatz. Wichtig ist, dass Sie in der Verhandlung Punkte sammeln und sich nicht wie der absolute Verlierer mit leeren Händen vom Platz schicken lassen.

Das Interview führte Markus Hofelich.

Markus Hofelich Der Wirtschafts- und Finanzjournalist Markus Hofelichlebt mit seiner Familie im Süden von München. Seine journalistische Erfahrung sammelte er als Redaktionsleiter beim DIV Deutscher Industrieverlag, als stellvertretender Chefredakteur von Cash. sowie als Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins „Unternehmeredition“ der GoingPublic Media AG. Markus Hofelich ist Diplom-Kulturwirt und hat an den Universitäten Passau und an der Pariser Sorbonne studiert. Aktuell hat er die Website www.sinndesLebens24.de gestartet, ein Online-Magazin für Philosophie, Glück und Motivation, und ist auf der Suche nach neuen Herausforderungen.


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