Die Arbeitswelt 2025 verlangt nach neuen Ansätzen im Recruiting. Immer mehr Unternehmen in Deutschland verabschieden sich vom traditionellen Fokus auf akademische Abschlüsse und Berufsbezeichnungen – und setzen stattdessen auf Skill-based Hiring. Laut dem StepStone Hiring Trends Index Q1 2024 berücksichtigen 62% der deutschen Unternehmen heute praktische Fähigkeiten stärker als formale Abschlüsse. Für Recruiter, die Active Sourcing betreiben, bedeutet das: Kompetenzen rücken ins Zentrum der Talentauswahl.
Doch wie gelingt die Umstellung auf eine kompetenzbasierte Rekrutierung praktisch? Dieser Artikel zeigt Ihnen die wichtigsten Schritte, Herausforderungen und Chancen – und gibt konkrete Tipps, wie Sie den Wandel aktiv gestalten.
Was ist Skill-based Hiring?
Skill-based Hiring bezeichnet die Praxis, Bewerber primär auf Basis ihrer Fähigkeiten, Fertigkeiten und praktischen Erfahrungen auszuwählen – unabhängig von formellen Abschlüssen oder Titeln. Im Fokus stehen „Hard Skills“ (z.B. Programmiersprachen, Projektmanagementmethoden) und „Soft Skills“ (z.B. Teamfähigkeit, Problemlösungskompetenz).

Kompetenzbasierte Auswahl im Vorstellungsgespräch: Unternehmen setzen zunehmend auf objektive Evaluierung von Skills statt formale Abschlüsse.
Warum ist das wichtig?
- Fachkräftemangel: In einer Zeit, in der Fachkräfte dringend gesucht werden, gewinnen praktische Fähigkeiten und berufsrelevante Kompetenzen zunehmend an Bedeutung. Viele qualifizierte Talente verfügen nicht unbedingt über traditionelle akademische Abschlüsse, bringen jedoch durch Berufserfahrung, Weiterbildungen und praxisnahe Kenntnisse genau die Fertigkeiten mit, die Unternehmen heute benötigen.
- Innovationsdruck: Dynamische Märkte erfordern spezifische, oft neue Kompetenzen, die traditionelle Ausbildungsgänge nicht abdecken.
- Beispiele sind etwa Machine Learning Engineering im Bereich Künstliche Intelligenz, Growth Hacking im digitalen Marketing oder Nachhaltigkeitsmanagement in der Unternehmensführung. Solche spezialisierten Fähigkeiten werden häufig in neuen Lernformaten wie Bootcamps, Micro-Degree-Programmen oder praxisorientierten Online-Kursen vermittelt, da klassische Studiengänge diese Inhalte oft noch nicht oder nicht in ausreichender Tiefe abdecken.
- Diversität: In Deutschland gewinnt Diversity, Equity & Inclusion (DEI) zunehmend an Bedeutung, da Unternehmen gesetzliche Vorgaben, gesellschaftliche Erwartungen und wirtschaftliche Vorteile berücksichtigen müssen. Skill-based Hiring unterstützt diese Entwicklung, indem es den Fokus auf tatsächliche Kompetenzen und Erfahrungen legt und so soziale, kulturelle und berufliche Vielfalt im Recruiting fördert. Für Recruiter bedeutet dies, Talente unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Bildungsweg objektiver zu bewerten und einen breiteren Talentpool zu erschließen. Eine vielfältige Belegschaft steigert nachweislich Innovationsfähigkeit, Unternehmenserfolg und Arbeitgeberattraktivität.
Warum deutsche Unternehmen jetzt auf kompetenzbasierte Rekrutierung umstellen sollten
Die Dynamik am Arbeitsmarkt zwingt Unternehmen in Deutschland dazu, ihre Recruiting-Strategien zu überdenken. Skill-based Hiring gewinnt dabei als Schlüsselansatz an Bedeutung, um dem steigenden Bedarf an spezialisierten Kompetenzen gerecht zu werden:
Bildungslücken und Digitale Transformation
Traditionelle Ausbildungssysteme kommen mit der Geschwindigkeit technologischer Entwicklungen häufig nicht mehr mit. Neue Technologien schaffen Berufe, für die spezialisierte Fähigkeiten benötigt werden, die klassische Studiengänge oft nicht abdecken. Beispiele hierfür sind KI-Spezialisten im Bereich Machine Learning, Cloud-Architekten für hybride IT-Infrastrukturen oder Cybersecurity-Experten zur Absicherung digitaler Geschäftsprozesse. Diese Rollen erfordern praxisnahe Kompetenzen, die häufig durch spezialisierte Weiterbildungen oder Micro-Degrees erworben werden, da klassische Studiengänge diese Anforderungen oft nur unzureichend abbilden.
Demografischer Wandel
Eine alternde Bevölkerung führt dazu, dass jedes Jahr mehr Fachkräfte den Arbeitsmarkt verlassen als neue nachrücken. Gleichzeitig reicht die Zahl der Hochschulabsolventen oder Auszubildenden nicht aus, um alle offenen Stellen zu besetzen. Unternehmen müssen daher neue Talentpools erschließen – etwa durch Quereinsteiger, internationale Fachkräfte oder berufserfahrene Kandidaten ohne klassische Abschlüsse. Skill-based Hiring hilft dabei, diese Potenziale besser zu erkennen, indem die tatsächlichen Kompetenzen in den Vordergrund gestellt werden. So können Recruiter Talente gewinnen, die auf herkömmlichem Weg (z. B. reine Abschlusssuche) oft übersehen würden.
Fokus auf Upskilling:
Immer mehr Mitarbeiter entwickeln relevante Kompetenzen durch Bootcamps, praxisorientierte Online-Kurse und Micro-Degrees – insbesondere in zukunftsträchtigen stark wachsenden Branchen wie IT, Gesundheitswesen, Erneuerbare Energien, E-Commerce, Logistik und Maschinenbau. Viele Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeitenden aktiv in der Weiterbildung.
Praxisbeispiele für Upskilling und Skill-based Hiring:
- Bosch setzt auf ein internes Weiterbildungsprogramm namens „Bosch Learning Company“, das Mitarbeitende durch digitale Lernangebote gezielt in zukunftsrelevanten Kompetenzen wie Data Science und KI schult.
- Deutsche Bahn hat mit ihrer „DB Lernwelt“ ein umfangreiches Qualifizierungsprogramm aufgebaut, das gezielt Quereinsteiger*innen in technischen Berufen weiterbildet.
- Otto Group fördert Skill-based Hiring durch die gezielte Nutzung von Skill-Analysen und Weiterbildungen über ihre Digitalplattform „Otto Group Digital Academy“.
Diese Beispiele zeigen, wie einzelne deutsche Unternehmen gezielt in Upskilling und kompetenzbasierte Rekrutierung investieren. Auch wenn dies noch keinen flächendeckenden Mentalitätswandel belegt, deuten diese Initiativen auf einen möglichen Trend hin, der sich in Zukunft verstärken könnte – insbesondere im Kontext wachsender Herausforderungen wie Fachkräftemangel und technologischer Transformation.
Skill-based Hiring ermöglicht es Unternehmen, agiler auf Marktveränderungen zu reagieren und gleichzeitig einen breiteren, diverseren Talentpool anzusprechen. Besonders in Deutschland, wo demografische Veränderungen, technologische Innovationen und der Fachkräftemangel den Arbeitsmarkt prägen, bietet kompetenzbasierte Rekrutierung eine nachhaltige Lösung. Wer Talente nach ihren tatsächlichen Fähigkeiten auswählt, erschließt sich neue Potenziale, steigert die Innovationskraft und positioniert sich langfristig als attraktiver Arbeitgeber im Wettbewerb um die besten Köpfe.
Skill-based Hiring im Active Sourcing umsetzen: Schritt für Schritt
Wie werden Skills sichtbar gemacht und getestet?
Im Recruiting-Prozess können Recruiter gezielt Fragen und Aufgaben einsetzen, um Kompetenzen sichtbar zu machen. Bei Hard Skills eignen sich beispielsweise kurze Praxistests oder Arbeitsproben, die spezifische Fähigkeiten abfragen. Soft Skills lassen sich durch situative Fragen im Interview erkennen oder durch strukturierte Rollenspiele testen. Auch Referenzen früherer Arbeitgeber liefern wertvolle Hinweise auf die tätsächliche Anwendung von Kompetenzen im Berufsalltag. Wichtig ist, eine Kombination aus Beobachtung, praktischen Übungen und standardisierten Fragen einzusetzen, um ein möglichst objektives Bild der Fähigkeiten zu erhalten.
Eine Kombination verschiedener Bewertungsmethoden sorgt für die größte Objektivität.
Kompetenzprofile statt Stellenprofile erstellen
- Definieren Sie, welche konkreten Skills für die Rolle erforderlich sind.
- Unterscheiden Sie zwischen „Must-have“ und „Nice-to-have“ Skills.
Sourcing-Strategien anpassen
- Nutzen Sie gezielt Skills in Lebensläufen, LinkedIn-Profilen oder öffentlichen Projektplattformen wie GitHub.
- Verwenden Sie Schlagwörter für spezifische Technologien, Methoden oder Zertifikate.
- Berücksichtigen Sie alternative Karrierewege und Quereinsteiger.
- Durchsuchen Sie Ihr ATS (z.B. Personio, Softgarden) gezielt nach Kompetenzen, um vorhandene Talentpools effizient zu nutzen und Kandidaten Skill-basiert zu filtern.
Kompetenzen valide bewerten
- Führen Sie strukturierte Interviews durch.
- Nutzen Sie Arbeitsproben, Case Studies oder Assessments.
Tools wie Codility (für IT-Skills), Pymetrics (für Soft Skills) oder Vervoe (All-in-One Assessments) helfen bei der objektiven Evaluation.
Bias minimieren
- Schulen Sie Hiring Manager im kompetenzbasierten Interviewen.
- Verwenden Sie standardisierte Bewertungsskalen.
- Nutzen Sie anonymisierte Screening-Tools. Neben internationalen Anbietern wie Applied gibt es auch europäische Lösungen wie das schweizerische Tool Softfactors oder die niederländische Plattform Equalture. Beide Anbieter stellen ihre Dienste in deutscher Sprache zur Verfügung und sind für den deutschen Markt optimiert, inklusive DSGVO-konformer Datenverarbeitung.
Herausforderungen und wie Sie sie meistern
Widerstand gegenüber neuen Ansätzen
Viele Hiring Manager vertrauen noch auf bekannte Abschlüsse als „Qualitätssiegel“.
Lösung:
- Sensibilisieren Sie für die Vorteile kompetenzbasierter Auswahl (z.B. mehr Diversität, bessere Passung) und weisen Sie auf rechtliche Rahmenbedingungen hin: In Deutschland verpflichtet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Arbeitgeber, Diskriminierung im Bewerbungsprozess zu vermeiden. Skill-based Hiring hilft dabei, diese Anforderungen zu erfüllen, da es den Fokus auf objektive Kompetenzen legt und so unbewusste Vorurteile reduziert.
- Führen Sie Pilotprojekte durch, um den Erfolg zu zeigen. Wählen Sie dazu eine einzelne Abteilung oder eine konkrete Vakanz aus, bei der Kandidaten ausschließlich nach Kompetenzen bewertet werden. Beobachten und messen Sie die Ergebnisse (z.B. Besetzungsdauer, Qualität der Neueinstellungen, Feedback der Hiring Manager). Solche Pilotprojekte minimieren Risiken, liefern praxisnahe Erkenntnisse und schaffen Akzeptanz für eine breitere Einführung von Skill-based Hiring im Unternehmen.
Schwierigkeit, Skills objektiv zu messen
Kompetenzen sind oft weniger greifbar als Abschlüsse.
Lösung:
- Setzen Sie auf multimodale Assessments. Multimodale Assessments kombinieren verschiedene Methoden wie strukturierte Interviews, Arbeitsproben, Online-Tests und Soft-Skill-Analysen. Dadurch entsteht ein umfassenderes und objektiveres Bild der tatsächlichen Fähigkeiten eines Bewerbenden. Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) und der StepStone Gruppe von 2023 zeigt, dass Unternehmen, die moderne Assessmentmethoden nutzen, eine um bis zu 20 % höhere Passgenauigkeit bei Neueinstellungen erreichen. Auch eine Untersuchung der Stiftung Neue Verantwortung (2022) hebt hervor, dass Kombinationen aus praktischen Tests und strukturierten Interviews die objektivste Einschätzung von Kompetenzen ermöglichen. Gerade im Skill-based Hiring erhöht diese Vielfalt die Validität der Auswahlentscheidungen und reduziert das Risiko, Talente aufgrund einseitiger Bewertungsverfahren zu übersehen.
- Validieren Sie Tests durch externe Benchmarks. Sie helfen dabei, Testergebnisse besser einzuordnen, indem sie mit Normwerten oder branchenspezifischen Durchschnittsdaten verglichen werden. Beispielhafte Benchmarks sind die Ergebnisse internationaler Assessment-Plattformen wie SHL (z. B. General Ability Test Normdaten), Hogan Assessments oder das Korn Ferry Talent-Q Framework. Auch nationale Referenzdatenbanken wie das BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung oder branchenspezifische Leistungsdaten des IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) können zur Orientierung dienen. So lässt sich objektiv beurteilen, ob ein Bewerber bestimmte Kompetenzen über- oder unterdurchschnittlich beherrscht. Gleichzeitig erhöhen Benchmarks die Rechtssicherheit im Auswahlprozess, da Entscheidungen nachvollziehbar und datenbasiert getroffen werden.
Technologie-Integration
Viele ATS (Applicant Tracking Systems) sind noch auf CVs ausgerichtet.
Lösung:
- Nutzen Sie ATS mit Skill-Matching-Funktionalitäten (z.B. Personio, Softgarden, d.vinci, Prescreen von Xing E-Recruiting). Diese Systeme ermöglichen es, Kompetenzen gezielt zu erfassen, zu filtern und Kandidatenprofile systematisch nach Skills zu strukturieren.
- Ergänzend können spezialisierte Tools wie z.B.: HiPeople eingesetzt werden, die Skill-basierte Assessments und Referenzprüfungen direkt in bestehende ATS integrieren.
- Integrieren Sie Skill-Datenbanken und Assessment-Tools.
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Deutschland im internationalen Vergleich
Deutschland hinkt beim Skill-based Hiring im internationalen Vergleich leicht hinterher:
- Laut dem OECD-Skills Outlook 2024 rückt weltweit die Bedeutung von Kompetenzen in der Arbeitswelt stärker in den Fokus. Während Länder wie die USA und Großbritannien verstärkt auf Skill-based Hiring setzen, ist Deutschland noch zurückhaltender in der Umsetzung kompetenzbasierter Rekrutierungsstrategien.
- Skandinavische Länder wie Schweden und Dänemark sind Vorreiter: Hier wird Skill-based Hiring aktiv in nationale Arbeitsmarktstrategien integriert.
Gründe für Deutschlands langsamere Adaption: In Deutschland sind formale Bildungsabschlüsse traditionell stark im Arbeitsmarkt verankert, und viele Unternehmen folgen konservativeren Rekrutierungsansätzen. Laut dem Future of Jobs Report 2023 des World Economic Forum sind alternative Qualifikationswege und Skill-based Hiring in Deutschland weniger verbreitet als in führenden Innovationsländern wie den USA oder den skandinavischen Staaten.
Chance: Wer heute in Deutschland auf Skill-based Hiring umstellt, kann sich als moderner Arbeitgeber profilieren.
Praktische Tipps für Recruiter
- Skill-Taxonomien aufbauen: Erstellen Sie interne Kompetenzbibliotheken.
- Job Ads neu denken: Beschreiben Sie Jobs anhand erwarteter Skills, nicht Titel.
- Talentpools skill-basiert strukturieren: Taggen Sie Kandidaten nach Fähigkeiten.
- Partnerschaften nutzen: Arbeiten Sie mit Bootcamps, Fachschulen oder Online-Lernplattformen zusammen.
- Skill-basierte Karrierepfade etablieren: Bieten Sie klare Aufstiegschancen basierend auf Kompetenzentwicklung.
- Branchenfokus:
- Tech: Fokus auf Programmierkenntnisse, Cloud-Technologien.
- Pflege: Soft Skills wie Empathie, Stressresistenz stehen im Vordergrund.
- Handel: Kommunikationsstärke, digitale Kompetenzen sind entscheidend.
Zukunftsausblick: Wie sich Skill-based Hiring weiterentwickeln wird
- Künstliche Intelligenz wird Skill-Matching noch präziser machen.
- Lebenslanges Lernen wird zum Standard: Kandidaten müssen ihre Skills permanent weiterentwickeln.
- Zertifikatsbasierte Karrieren werden klassische Bildungswege ergänzen oder ersetzen.
- Unternehmen, die frühzeitig auf Skill-based Hiring setzen, verschaffen sich einen wichtigen Vorsprung im Wettbewerb um die besten Talente.
Weitere Informationen zu Recruiting Trends finden Sie hier.
Fazit: Skill-based Hiring ist die Zukunft
Für Active Sourcing bedeutet Skill-based Hiring einen Paradigmenwechsel. Statt starrer Lebensläufe rücken die individuellen Kompetenzen von Talenten in den Fokus. Recruiter, die diese Umstellung meistern, erreichen neue Zielgruppen, besetzen Positionen schneller und stärken die Innovationskraft ihres Unternehmens.
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